RAPP (Dezember 99) LK DE 12.1

UE Kafka / produktorientiertes Schreiben

Aufgabe 1:
Verfassen eines kafkaesken Textes
Vorgabe: aus der Perspektive eines Dackels in der Lehrerrolle erzählen/schreiben, der seine Schüler (Menschen) unterrichtet.

Textbeispiel:

Das Elend der heutigen Lehrer oder wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt

Wieder haben die Schüler ihre Hausaufgaben nicht gemacht! Klar, sie erwarten natürlich, daß ich in mein heiseres Bellen verfalle, das mich allerdings mehr zu nerven beginnt als sie. Zwar ducken sie sich immer noch erschreckt weg, wenn ich meine Zähne fletsche - ich habe immer noch ein herrliches Gebiß - der ganze Stolz meiner Lehrerschaft - aber ich merke durchaus, wie ihre Angst nachläßt, ihr Schrecken kürzer ist, als mir lieb ist. An mein Bellen haben sie sich schon gewöhnt und empfinden es fast schon als wohlige Massage!
Verflucht ist, daß sie meinen Hunger kennen. Die Begabtesten unter ihnen sind so perfide, die geöffnete Chappiedose unauffällig, aber auffällig genug - unüberriechbar - unter das Lehrerpult zu plazieren, und wie oft falle ich darauf rein - meine Lefzen beginnen zu speicheln. Vergeblich das Zusammenpressen der Zähne, wenn um so wilder mich die Rute peitscht! Mit Gewalt muß ich mich dann auf meinen Schwanz setzen, der immer wieder gegen meinen Willen zu wedeln anfängt. Auf ihn starren sie gespannt, denn wenn sie etwas wissen, so wissen sie dies mit Gewißheit: sobald meine Schwanzspitze zu zucken beginnt, haben sie gewonnen. Dann verliere ich mein Bösartigkeit, mein Unterrichtskonzept und überhaupt den roten Faden - denke nur noch an das Chappie unter dem Pult und träume, wie meine Reißzähne ins Dosenfleisch schlagen, statt in die haarlos-fettigen Nacken der faulen Schülerbande.
Ich habe mir angewöhnt, meinen haarigen Schwanz eng an meinen Körper zu schnallen. Nur so kann ich ihn unter Kontrolle halten. Aber was ist ein Dackel schon ohne die Freiheit seines Schweifs ? Welches Elend der Periode, in der die Schüler schon wissen, wie sie ihren Lehrer vom Lehrpult weg unter das Lehrpult zwingen können!

Aufgabe 2
Interpretation des Textes
Methode: werkimmanent, strukturalistisch

Hinweis: die private Meinung des Autors, was er sich beim Schreiben gedacht hat (z.B bei dem Wort Schwanz), ist völlig unwichtig, aber ebenso unwichtig ist die private Meinung des Interpreten!
Kannst du den Text als Gleichnis lesen? Suche nach dem tertium comparationis zwischen Text und Wirklichkeit!

Aufgabe 3
Das Werk wird nur durch den Interpreten zum Kunstwerk, aber nicht jedes Werk läßt sich zum Kunstwerk machen. Begründe, warum!