Eine Komödie in 13 Akten
Spieler: 13.Jg. 98 , Abiturienten der Käthe Kollwitz Schule, Leverkusen-Rheindorf
Zuschauer: Eltern, Schüler,Lehrer auf der Abi-Feier 1998 im PZ, am 20.6.98
PROLOG
Sprecher mit Zeigestock erklärt:
ORT: das Pädagogische Zentum einer Gesamtschule im Charme des Plattenbaus der 70er Jahre
NÄHERE UMGEBUNG : Die Ruine eines Hallenbades,
dahinter eine Reihe von Blechkontainern für Asylanten und Aussiedler aus dem Osten.
Am Horizont die Ausläufer einer riesigen Müllhalde eines Chemiekonzerns, von dem sich das einst so ländliche Dorf hinter dem Deich eines großen Stromes immer schlechter ernährt.
Doch spielt das Örtliche eigentlich keine Rolle, wird hier nur der Genauigkeit zuliebe erwähnt, verlassen wir doch nie den Betonbau des Irrenhauses (nun ist das Wort gefallen), noch präziser: auch das PZ werden wir nicht verlassen. Haben wir uns doch vorgenommen, die Einheit von Raum, Zeit und Handlung streng einzuhalten. Einer Handlung, die unter Verrückten spielt, kommt nur die klassische Form bei.
PERSONAGE
Der Direktor des Irrenhauses: Seine Trinität Pater Engekratzbaum
Die Oberschwester : Rainer-Jürgen Füllmitt
Die Krankenschwester: Lilly Gasspeng
Die Krankenbrüder: das Lehrerkollegium der Käthe-Kollwitz-Schule
Der Krankenrat: Rubensdepp
Der Meisenrat: Dr. Krauserrapp
Der Wachhund: John McRoy
Die Patienten: die Schüler der Käthe-Kollwitzschule
HANDLUNG
Das Theaterstück, an dem wir 13 Jahre lang mit mehr oder weniger Erfolg teilgenommen haben, ist allen Anwesenden bekannt, steht weiterhin auf dem Spielplan und wird auch kommende Schülergenerationen beglücken.
EPILOG
Zum Verständnis der Komödie bieten wir allen Anwesenden, insbesondere den kommenden Spielern, eine Interpretationshilfe an :
EINUNDZWANZIG PUNKTE ZUM DRAMA SCHULE
(die 21 Abiturienten treten unter das Schild NON SCOLAE SED VITAE DISCIMUS und deklamieren laut ins Publikum hinein, evt. ins Mikrophon ihre Thesen nach Aufruf "Punkt 1", "Punkt 2" etc. Bei Punkt 3 werden die Schilder PERIPETIE, WENDEPUNKT, HÖHEPUNKT, DAS IST DIE HÖHE! hochgehalten, ab Punkt 10 die Schilder GROTESK, NICHT, ABSURD, PARADOX . Die Zurufer in Punkt 5 befinden sich möglichst weit hinten im Zuschauerraum und rufen laut nach vorne)
Punkt 1 Die übliche These lautet: Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir.
(Sprecher zeigt auf den lateinischen Spruch)
Wir gehen nicht von dieser These aus, sondern von unserer 13 jährigen Schulgeschichte
Punkt 2 Geht man von einer Geschichte aus, muß sie zu Ende gedacht werden.
Punkt 3 Die 13 jährige Schulgeschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche
Wendung genommen hat
Punkt 4 Die schlimmstmögliche Wendung ist voraussehbar. Sie tritt durch das Arbeitsamt ein.
Zurufer: durch den freien Markt!
Sprecher: Richtig, Herr Kollege Freitag, durch die Freiheit des Marktes
Punkt 5 Die Kunst des Schuldramatikers besteht darin, das Schuldrama im freien
Markt möglichst wirksam endigen zu lassen
Punkt 6 Träger des Schuldramas sind die Lehrer, Opfer die Schüler
Punkt 7 Das Drama im Schuldrama besteht nicht darin, wann und wo wer zufällig bei wem
Unterricht hat, sondern ob und wer wo nach der Schule noch Arbeit findet!
Punkt 8 Je mehr die Schule Vernünftiges erreicht, desto wirksamer vermag sie der freie Markt
zu treffen
Punkt 9 Planende Schüler wollen ihr Abitur erreichen. Die Freiheit des Marktes trifft sie dann am
schlimmsten, wenn sie durch ihr Abitur das Gegenteil ihres Zieles erreichen:
das, was sie befürchteten, was sie zu vermeiden suchten: die Arbeitslosigkeit durch
Überqualifikation
Punkt 10 Ein solches Schuldrama ist zwar grotesk, aber nicht absurd (sinnwidrig)
Punkt 11 Es ist paradox
Punkt 12 Wenn die Politiker nicht das Paradoxe vermeiden, können es auch die Lehrer nicht,
Punkt 13 Ebenso wenig wie die Lehrer, können die Schüler das Paradoxe vermeiden
Punkt 14 Ein Drama über die Schule muß paradox sein
Punkt 15 Es kann nicht den Lehrplan, sondern nur seine Nutzlosigkeit zum Ziel haben
Punkt 16 Der Inhalt der Schule geht die Lehrer an, dessen Nutzlosigkeit die Schüler
Punkt 17 Was die Schüler angeht, können die Lehrer nicht lösen
Punkt 18 Auch der Versuch eines einzelnen Schülers, sich und anderen Schülern wirksam zu helfen,
muß scheitern
Punkt 19 Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit
Punkt 20 Wer dem Paradoxen gegenübersteht, setzt sich der Wirklichkeit aus
Punkt 21 Die Schule kann die Schüler überlisten, sich 13 Jahre lang von der Wirklichkeit
fernzuhalten, aber nicht zwingen, ihr standzuhalten oder sie gar zu bewältigen
Dürrenmatt
Eine komisch-groteske Wirklichkeit läßt sich weder durch die antike
Tragödie, noch durch das bürgerliche Trauerspiel darstellen
Die heutige Wirklichkeit läßt sich nur noch als Komödie darstellen
Sprecher
Der Abiturjahrgang 98 der Käthe Kollwitz Schule sieht sich heute nicht in der Lage,
Ihnen diese Komödie hier vorzuführen. Sie finden sie absolut nicht komisch.
Ist das nicht komisch?