Harald von Rappard

Zum Gottesbeweis von Descartes

Die Existenz Gottes ist auf empirische Weise nicht zu beweisen. Descartes versucht Gott auf metaphysische Weise zu beweisen. Der transzendente empirisch nicht erfahrbare Gott existiert, weil ohne ihn der Mensch nicht die Idee der Vollkommenheit denken könnte. Gott ist also die transzendentale Bedingung der menschlichen Idee der Vollkommenheit. Es nicht der Glaube, der Gott erschafft, sondern die Logik des Denkens erzwingt die Annahme eines über das endliche Wesen hinausgehenden unendlichen Wesens .

In der Tat kann das Endliche nur vor dem Hintergrund des Unendlichen Profil gewinnen. Das Endliche setzt also das Unendliche logisch voraus. Da das Unendliche nirgendwo in der Empirie existiert, kann es nur auf nicht-empirische Weise existent sein. Es existiert als transzendentale Bedingung der Endlichkeit (und zwar im Geist, nirgendwo anders).

Der philosophische Fehler beginnt, wenn man wie Descartes aus der existierenden transzendentalen Bedingung ein eigenständiges Wesen konstruiert. In der Fachsprache der Philosophie bezeichnet man diesen Denkfehler als " Hypostasierung von Entitäten ". Das Unendliche existiert ja gerade nicht als eigenständiges Wesen. Es existiert ja nur durch die Existenz des Endlichen. Das Endliche ist also ebenso die transzendentale Bedingung des Unendlichen.

Metaphysisch ausgedrückt: durch das Entstehen des Endlichen entsteht auch gleichzeitig das Unendliche. Gott, das Unendliche, entsteht also erst mit dem Entstehen der Welt und existiert nicht schon vorher als autonome Macht vor dem Urknall. Ebenso wenig erschafft Gott die Welt oder die Welt Gott. Zwischen Unendlichkeit und Endlichkeit besteht ein dialektisches und kein kausales Wechselverhältnis.

Gott, Teufel, Welt und Ich sind metaphysische Begriffe, Kategorien des Geistes, die dialektisch aufeinander bezogen festplatzierte Denkstellen unseres Begriffssystems markieren. Ihre Vernetzung untereinander strukturiert unser Begriffsystem und insofern haben sie für unser Denken eine Bedeutung. Unabhängig von unserem Begriffssystem haben sie absolut keine Bedeutung. Genau hier liegt der Fehler der Metaphysik. Sie reißt die Begriffe aus ihrem Bedeutungszusammenhang heraus, sieht sie nicht mehr in ihrer Funktion in unserem Begriffssystem, sondern hypostasiert transzendente Entitäten, die sie den metaphysischen Begriffen zuordnet (die Kritik Wittgensteins).

So macht Descartes aus der transzendentalen Bedingung der Endlichkeit, dem Unendlichen, fälschlicherweise einen kausal wirkenden Schöpfer-Gott, der aufgrund seiner Vollkommenheit keine lügnerische Scheinwelt erschaffen kann. Wie falsch er mit seiner Methode liegt, zeigt die Welt der Matrix, in der ein Descartes mit seiner Methode die Scheinwelt der Matrix als die wahre Welt des vollkommenen Gottes begründen würde (siehe auch meinen Essay: Ich Gott und die Matrix).