Harald von Rappard (Dezember2001)

ICH, GOTT und die MATRIX

Zur cartesischen Frage nach der Gewissheit unserer Anschauungen
Eine transzendental-philosophische und tiefenpsychologische Analyse zum Film Matrix


Sehen wir die Welt, wie sie ist, oder sind unsere Anschauungen von der Welt nur Einbildungen ohne Wahrheitswert? Der Kultfilm Die Matrix zeigt uns sehr plastisch, wie hier die Menschen in einer virtuellen computersimulierten Welt leben, ohne es selbst zu bemerken. Kann nicht, so fragte sich schon Descartes, ein allmächtiger Betrüger existieren, der unsere Sinneswahrnehmungen täuscht und uns eine Welt vorgaukelt, die gar nicht existiert?

Descartes hat diese erkenntnistheoretische Frage mit Hilfe seines methodischen Zweifels zu lösen versucht. Alles kann ich bezweifeln, nur nicht die Tatsache des Zweifelns, wenn ich zweifle. Die Existenz des Denkens ist also nicht mehr bezweifelbare Gewissheit während des Denkens. Aus dem "Ich denke" folgert Descartes "Ich bin". Wenn ich denke, muss ich auch existieren. Ich kann nicht denken, wenn ich nicht gleichzeitig existiere. "Ich bin" ist also tautologisches Implikat von "Ich denke".

Das ist alles noch sehr harmlos und für jedermann verständlich. Und dennoch verstricken wir uns schon jetzt in eine Reihe von Fragen, die uns in heillose Verwirrung stürzen, sobald wir sie zu beantworten suchen: WER ist dieses ICH und WAS ist dieses Ich, WO befindet es sich überhaupt? Ist das Ich im Raum anzutreffen und wenn es nicht im Raum anzutreffen ist, wo existiert es dann? Nur im Geist? Und wenn das Ich nur im Geist existiert, ist es dann nicht doch bloß eine geistige Einbildung, eine Illusion, ein metaphysisches Konstrukt, oder ist das Ich die transzendentale Bedingung meines Körpers, ohne das mein Körper kein Körper, sondern nur noch ein Leichnam wäre? Aber auch hier wäre das Ich etwas Nichtempirisches, was auf sinnliche Weise nicht erfahrbar ist.

Von derselben eigentümlichen Qualität ist der zweite Fixpunkt im cartesischen Denken: GOTT. Auch Gott ist in der Empirie nicht anzutreffen, dennoch kann seine Existenz nach Descartes nicht bezweifelt werden. Die Tatsache, dass der Mensch die Vorstellung eines vollkommenen Wesens in seinem Denken vorfindet, verweist auf die Existenz Gottes. Sein Argument: ein endliches Wesen wie der Mensch kann prinzipiell nicht aus sich heraus die Idee der Unendlichkeit bilden.

Mit ICH und GOTT hat Descartes die beiden festen Eckpunkte seines Denkens gefunden, zwischen denen er die Welt aufspannt. Da Gott als vollkommenes Wesen seine Geschöpfe nicht betrügt, ist die Welt, die wir erkennen, Gottes Welt und damit die wahre Welt und keine Scheinwelt, quod erat demonstrandum.

An der behaupteten Existenz Gottes scheiden sich die Geister. Kein Atheist akzeptiert die scholastische Beweisführung Descartes. Der cartesische Existenzbeweis des ICHs dagegen trifft kaum auf Vorbehalte. Dabei zeigt uns nicht nur der Film Die Matrix, dass die Selbstvergewisserung des Ich keineswegs zum korrekten Selbstbild führt.

Das cartesische Ich erweist sich nämlich als ein genauso transzendentes Wesen wie sein vollkommener Gott. Seine Existenz ist nicht mehr oder weniger gesichert als die Gottes. GOTT und ICH sind weder im Raum noch in der Zeit anzutreffen und damit nicht in der Empirie. Beide gehören zu den Gegenständen des Denkens (res cogitans) und nicht zu den der sinnlichen Wahrnehmung (res extensa). ICH und GOTT existieren im Denken, nirgendwo sonst. Sie sind Realitäten im Geist und durchaus keine bloßen Einbildungen. Aber außerhalb des Geistes haben sie keine Existenz.

Wir sehen: Descartes ist in seinem Versuch gescheitert, mit Hilfe seines methodischen Zweifels eine von seinem Denken unabhängige Außenwelt zu beweisen. Was er beweist, ist sein eigenes Begriffssystem. Damit beweist er nur das, was er begrifflich schon voraussetzt. Formallogisch betrachtet, gründet er den Beweis auf den klassischen Fehlschluss der petitio principii.

ICH und GOTT haben nun allerdings in der Welt unserer Begriffe eine ganz besondere Relevanz und Eigentümlichkeit. Es sind die beiden Rand- oder Limesbegriffe aller unserer Begriffe, analog der Null und dem Unendlichkeitswert auf der Geraden der natürlichen Zahlen. Zwischen ICH und GOTT ist die gesamte Metaphysik des Abend- und Morgenlandes aufgespannt. Die Metaphysik der Antike, insbesondere der mittelalterlichen Scholastik hat von GOTT her die Welt begrifflich zu erfassen gesucht, die Metaphysik der Neuzeit vom ICH her in der sogenannten Subjektsphilosophie, die mit Descartes ihren Ausgang nimmt. Schließen wir die Gerade unserer metaphysischen Begriffe zu einem Kreis zusammen, fallen GOTT und ICH zusammen und wir erhalten das philosophische Paradigma der Mystik, das insbesondere die asiatischen Philosophien bestimmt hat(Buddha, Lao tse), aber auch die abenländische Mystik des Mittelalters(Meister Eckehart, Tauler, Seuse, Hildegard von Bingen und später Jacob Böhme).

ICH und GOTT sind indes nicht nur die beiden Limesbegriffe unseres Begriffssystems, sie sind darüber hinaus noch mit enorm wirksamen psychischen Energien verbunden. Sie sind zwei Kraftquellen unseres SELBST, die vor dem Bewusstsein auf die gesamte Psyche ausstrahlen. Sie haben strukturelle Ähnlichkeit mit dem, was die Tiefenpsychologie unter dem Begriff Archetypus zu fassen sucht, d.i.ein selbst unanschauliches psychisches Bereitschaftssystem, das unbewusst unseren Anschauungen erst Struktur verleiht. GOTT und ICH sind Archetypen des SELBST, an die unser Bewusstsein nicht heranreicht, dennoch aber von messbarer Wirkung auf unser Bewusstsein sind. Alle Religionen unserer Welt werden von der Kraft dieser Archetypen gespeist, so auch der Film DIE MATRIX, von dem jetzt die Rede sein soll, weil er illustrativ die cartesische Fragestellung demonstrieren kann.

Die Handlung des Films spielt in einer fernen Zukunft, in der die Maschinen die Herrschaft über den Planeten Erde übernommen haben. Die Welt der Menschen liegt nach einem verheerenden Krieg in Trümmern. Das Tageslicht vermag seit Jahrzehnten die durch den Krieg zerstörte und veränderte Atmosphäre nicht mehr zu durchdringen. Die Maschinen auf der Suche nach Maschinen erhaltender Energie sind darauf verfallen, in riesigen Brutkolonien Menschen zu züchten und sie als Energiequellen zu nutzen. Verdrahtet und verstöpselt vegetieren die menschlichen Körper in einer Nährflüssigkeit wie Larven in einem Bienenstock. Damit die menschlichen Larven ihre energiespendende Funktion als Batterien optimal erfüllen, wird ihnen eine virtuelle Realität vorgegaukelt, in der sie zu leben wähnen. Interessanterweise hat sich durch Experimente herausgestellt, dass die optimale virtuelle Realität für die Menschen nicht das Paradies ist, sondern die ganz gewöhnliche des Glücks und Unglücks, der Konkurrenz, der Liebe, der Zwietracht, der Eifersucht, des Triumphs, des Hasses. Die Menschen der fernen Zukunft werden deshalb in ihren Träumen in eine Scheinwelt versetzt, die genau der historischen Realität von 1999 entspricht. Diese Scheinwelt ist in Wahrheit nichts anderes als eine Matrix binärer Strichcodes, quasi die programmierte Maschinensprache einer Software.

In der Welt der Matrix lebt bzw. träumt der Protagonist der Handlung, NEO, sein Doppelleben: als Außenseiter ein illegaler Hacker und als Bürger ein mäßig motivierter Angestellter in einer renommierten Software-Firma, bis er eines Tages von MORPHEUS gestört, geweckt und aus seiner Realität herausgerissen wird. MORPHEUS gehört mit seiner Crew zu einer Gruppe von entstöpselten, von der MATRIX befreiten Menschen, die außerhalb der Matrix in einem Unterseeboot, der NEBUKADNEZAR, leben und sich tief unter der Meeresoberfläche vor den Maschinenwesen versteckt halten. Sie stehen in Kontakt zu den noch nicht versklavten Menschen, die sich vor den Maschinenmonstern ins Erdinnere zurückgezogen haben, in ständiger Furcht, von den Maschinen entdeckt und vernichtet zu werden. MORPHEUS ist auf der Suche nach dem Erlöser, der nach einer Prophezeiung in der Welt der Matrix leben und die Menschen von der Matrix befreien soll. MORPHEUS ist überzeugt, in NEO den Erlöser gefunden zu haben. NEO selbst verspürt diese Berufung nicht, aber er will die Wahrheit wissen, als er vor die Wahl gestellt wird, sie zu erkennen oder seine Begegnung mit MORPHEUS zu vergessen. Die Entstöpselung und das Gewahrwerden der Wirklichkeit außerhalb der Matrix erlebt NEO als tiefen Schock. Nur mühsam und an sich selbst zweifelnd findet er sich in der Rolle zurecht, die die anderen von ihm erwarten. Aber er will ein gelehriger Schüler von MORPHEUS sein, der ihn in alle Kampftechniken einweist, die er zum Überleben in der Matrixwelt benötigt. Dorthin muss er nämlich zurück, um die Matrix von innen bekämpfen zu können. Die MATRIX selbst schützt sich durch WÄCHTER, die in menschlicher Gestalt auftreten, aber anders als die Menschen nicht den Naturgesetzen der virtuellen Realität unterworfen sind. Sie operieren auf der Ebene der Matrix selbst und können die virtuelle dreidimensionale Welt der Menschen nach ihren Bedürfnissen verändern. Aus der vierten Dimension operierend kontrollieren sie die dreidimensionale virtuelle Realität der Menschen vollständig und können von keinem Menschen besiegt werden. Genau auf diese meta-räumliche Ebene der Matrix muss nun auch NEO gelangen, um zum gefährlichen Gegner der Wächter werden zu können. Schritt für Schritt eignet er sich die Stärke der Wächter an und entkommt deren atemberaubenden Verfolgungsjagden anfangs nur mit knapper Not, bis auch er die Fähigkeit erlangt hat, die virtuelle dreidimensionale Realität zu verändern, und dadurch von den Wächtern der MATRIX nicht mehr besiegt werden kann.

Im Film wird die Entwicklung NEOs vom Außenseiter zum Retter und Erlöser als ein mentales Phänomen des Glaubens aufgezeigt. NEO ist nicht von vornherein der Salvator. Er wird erst zum Retter, je mehr die Menschen an ihn glauben und er selbst an seine Mission zu glauben beginnt. Es ist nicht das Schicksal, das die Menschen bestimmt, sondern das, was die Menschen als ihr Schicksal annehmen. Im Film wird das durch die magische Rolle des ORAKELS deutlich, eine bejahrte Frau, die wie die Wächter auch in der vierten Dimension zu Hause ist und deshalb die virtuelle Zeit der Menschen voraussehen kann: ihre Antworten sind wie das delphische Orakel sybillinisch. Ihre Bedeutung erlangen sie erst durch ihre Auslegung, die die Fragenden ihnen geben. MORPHEUS ist prophezeit worden, dass er den Erlöser finden wird, TRINITY, dass sie sich in den Erlöser verlieben wird und NEO, dass er zwar der Erlöser nicht ist, aber MORPHEUS Leben retten wird. Alle drei sind von ihrer Mission überzeugt und handeln danach und realisieren erst dadurch das, was vorher nur eine Möglichkeit im logischen Raum gewesen ist. MORPHEUS erfüllt die Prophezeiung, indem er NEO zum Erlöser macht. NEO erfüllt die Prophezeiung, indem er das Leben von MORPHEUS rettet und TRINITY sieht in NEO den Erlöser, weil sie sich in ihn verliebt, und weil sie sich in ihn verliebt hat, ist auch sie in der Lage, die virtuelle Wirklichkeit nach ihrer Vorstellung zu ändern. Der von den Wächtern erschossene NEO wird von ihr ins Leben zurückgeholt, weil von ihr eine andere Realität gar nicht zugelassen wird.. So gestaltet sich die Realität nach dem Prinzip der self-fullfilling prophecy und das eigentliche Thema des Films ist der Glaube und die Liebe, die Berge versetzt.

Auf der philosophischen Ebene zeigt uns der Film DIE MATRIX auf sehr anschauliche Weise, dass die cartesische Philosophiemethode gerade nicht zum Beweis der Existenz der Außenwelt führt. Auch Neo könnte wie schon Descartes nur zur Selbstvergewisserung der beiden Limesbegriffe seines Begriffssystems kommen. Auch er würde nach Descartes die Existenz von ICH und GOTT aus seinem Begriffssystem deduzieren und dabei nicht begreifen können, dass er ein falsches Selbstbild hat, sein vollkommener Gott eine Teufelsmaschine und die von ihm erkannte Wirklichkeit eine Scheinwirklichkeit ist. Die wahre Wirklichkeit kann nur der sehen, der außerhalb der Matrix steht.

Was wir aus dem Film philosophisch allerdings nicht lernen können, ist nun der einfache Analogieschluss, auch unsere Wirklichkeit könnte eine Scheinwirklichkeit sein.

Die Frage, ob unsere Welt quasi eine Matrix sei, wir von fremden, höheren Wesen ausgebeutet und gelenkt würden, ist spekulativ, sinnlos und belanglos, solange kein einziger Hinweis in diese Richtung deutet. Ich gebe allerdings zu, dass, selbst wenn es Hinweise dafür gäbe, wir sie nicht ernst nehmen würden, weil sie in unser Weltbild nicht hinein passen. Dass wir uns so verhalten, ist allerdings nicht belanglos. Der Philosoph müsste also untersuchen, ob der quasi therapeutische Fall eingetreten ist, dass existierende Hinweise auf eine uns manipulierende höhere Welt nicht mehr wahrgenommen werden.

Nun gibt es schon viele Menschen - und zwar bedenklich viele Menschen - , die glauben, die Außerirdischen lebten schon längst unerkannt unter uns. Das amerikanische Hollywood-Kino gibt ein beredtes Beispiel dieser gängigen Auffassung und der Film `Matrix` gehört in dieses Genre.

Hier muss allerdings der Philosoph fragen: zeigen diese Filme eine außer-irdische oder zukünftige Welt /Realität oder nicht doch eher archetypische Ängste der Menschheit im technologistischen Gewand der Moderne?

Den Film MATRIX finde ich interessant, nicht etwa, weil er die wahre Wirklichkeit hinter einer Scheinwirklichkeit zeigte, sondern weil er verborgene archetypische Anschauungen der Menschheit zum Ausdruck bringt und damit von der Realität des Menschen mehr erfasst, als was nur auf der Bewusstseinsebene sichtbar ist. Die Wirkung des Films basiert nicht auf der von der Vernunft aus betrachtet eher lächerlichen Story, sondern auf der Fülle ins Licht gehobener Archetypen, die aus dem dunklen Grund unserer Psyche wirksam sind.

Der Begriff Archetypus kommt aus der Tiefenpsychologie C.G. Jungs. (gr. αρχη (arche)gleich Ursprung. Archetypus gleich Ursprungs-Muster, Ur-Bild für unserer Anschauungen). Wie am Grunde des tierischen Verhaltens Instinkte dieses bewirken, so bewirkt der Archetypus unsere Bilder und Anschauungen von uns und unserer Welt. Die Archetypen der menschlichen Anschauung liegen nach C.G. Jung vor aller Erziehung, vor aller Kultur in der menschlichen Psyche bereit, wirken deshalb auf alle Menschen auf gleiche Weise und sind wahrscheinlich erklärbar aus der Evolution des Menschen beim Übergang vom Tier zum Menschen. Die Archetypen sind wie Raum und Zeit im Kantischen Sinne apriorische Anschauungsformen, die unserer Anschauung erst Struktur oder Form geben, ohne selbst aber in unserer Anschauung Profil zu gewinnen. Das Bewusstsein reicht nicht an sie heran. Sie sind die transzendentalen Bedingungen unserer Anschauung, insbesondere unserer bildlichen, visuellen Anschauung (beschränken sich aber nicht auf den Augensinn). Der Archetypus strukturiert die Anschauung genau in derselben Weise, wie der auf der Tafel gemalte Würfel sofort als dreidimensionales Gebilde wahrgenommen wird. Der Raum, die Dreidimensionalität, lässt sich auf der zweidimensionalen Tafel gar nicht darstellen. Dennoch ordnet der "Archetypus Raum“ die Striche auf der Tafel zu einem dreidimensionalen Gebilde. Als Bedingungen unserer empirischen Anschauung sind die Archetypen keine Gegenstände der Empirie, kommen also in der empirischen Erfahrung nicht vor. Dennoch sind sie höchst wirksam. Ohne sie hätten wir keine Anschauung von der Welt. Und wären die Archetypen anders als sie sind, würden wir eine gänzlich andere Anschauung von unserer Welt haben .

Im Unterschied zu den apriorischen Anschauungsformen wie Raum und Zeit sind die Archetypen noch gekoppelt mit dynamisch wirkenden Kräften. Der Archetypus ist vergleichbar mit der Kraft eines magnetischen Feldes, das die Eisenfeilspäne (die Bildelemente in unserem Kopf) auf einem Blatt Papier ausrichtet und auf bestimmte Bahnen lenkt.

Genau in diesem Faktum liegt die faszinierende Wirkung bestimmter Literatur und Filme begründet. Es sind weniger die anspruchsvollen Filme und Bücher, die hauptsächlich auf das Bewusstsein wirken und deshalb einen sehr eingeschränkten und gebildeten Adressatenkreis haben. Es sind vornehmlich die Trivialliteratur und insbesondere der Hollywood-Film, der massenhaft konsumiert wird, weil beide die archetypischen Kräfte unserer Psyche bedienen.

Zurück zum Film MATRIX:

Er bedient eine Fülle latent wirksamer Archetypen, die archetypische Bilder erzeugen (die im Gegensatz zu den Archetypen durchaus bewusst gemacht werden können):



Tiefenpsychologische Bedeutung/Deutung:

Der Clou des Films ist, dass die Matrix das Folgeprodukt der Menschheit ist. Die von den Menschen erzeugte Maschinen-Welt versklavt die Menschen und macht sie zu Maschinen-Objekten. Die Maschinen-Welt hat sich von der Natur gelöst. Die Leben spendende Mutter ist in den Untergrund abgedrängt, die lebensfeindliche Maschinen-Mutter ist zur Herrschaft gelangt.

Der Film Matrix gibt uns damit exakt ein Gleichnis zur heutigen modernen Welt. Wenn Neo, der Sohn, aus diesem falschen Elternimago ausbrechen will und wieder zurück zur lebendigen Mutter will, dann schildert der Film auf archetypische Weise die Sehnsucht des modernen Menschen, die verloren gegangene Einheit zur Natur wiederherzustellen. Genau das versteht jeder Zuschauer, allerdings nicht analytisch rational mit der linken Hälfte seines Gehirns - also so wie ich es hier vorführe - sondern un-rational und damit auf nicht bewusste Weise mit der rechten Hälfte seines Gehirns. Genau das macht die Wirkung des Films aus - selbst auf den Intellektuellen, der auf der Ebene der Ratio kritisch mit der Story des Films umgeht.

Den Filmemachern ist übrigens nur ein Bruchteil von dem bewusst, was ich hier geschildert habe. Natürlich spielt bei der Gestaltung des Films auch das Bewusstsein eine Rolle. Die Filmemacher haben ganz bewusst NEO als "Christus mit der Knarre“ gestaltet, der die Menschheit aus der tödlichen Scheinwelt erlösen soll. Die Parallelisierung zum biblischen Erlösungsmythos und zu biblischen Textstellen und anderen religiösen Quellen ist offenkundig. Schon die Namensgebung macht das deutlich: NEBUKADNEZAR, der Name des U-Boots, als Anspielung auf die babylonische Gefangenschaft der Juden im Exil, TRINITY, die die Geliebte(Maria Magdalena), die Mutter(Maria) und die Heilige(die Heilige Geistin oder besser noch die heilige Liebe) in einer Person verkörpert als Spiegelbild zur männlichen Trinität des Christentums (Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist), MORPHEUS der als Gott der Träume, Prophet und Mann der Visionen den Messias ankündigt und NEO, der in seinem Namen schon die neue, erlöste Welt vorwegnimmt. Ebenso bewusst sind die interessanten Abweichungen von tradierten Erlösungsmythen gestaltet: Dass nämlich das Schicksal nicht festgelegt ist und der Berufene nur dadurch zum Berufenen wird, dass er sich zum Berufenen wählt und damit die Zukunft der Menschheit ganz und gar in den Händen des einzelnen Menschen liegt, der den Kampf gegen die falsche Welt aufnimmt. Diesen Kampf kann er allerdings nicht allein bestehen. Zum Erlöser wird er nicht durch das Kreuz, sondern durch die Liebe. Erst die Liebe Trinitys lässt Neo von den Toten auferstehen und zum Erlöser werden.

Die enorme Wirkung des Films geht aber, wie schon oben bemerkt, nicht von der Bewusstseinsschiene aus, die vielleicht den Bibelkenner und Religionsfachmann zum Nachdenken anregt. Die Korrektur des Christusbildes, die der Film vornimmt, gründet auf eine tiefere Einsicht in die menschliche Psyche bzw., weil das noch zu kognitiv klingt, der Film erfasst die Ganzheit des Selbst und korrigiert damit die eher partikularistische Wahrnehmung des Selbst durch die christliche Kirche. Christus als Kämpfer, Aggressor, Krieger entspricht nicht dem liebenden, vergebenden, erduldenden, leidenden Christus am Kreuz. Die Lust auf Aggression und böse sein wollen (auf die Bösen) ist unbewusst mit der Triebdynamik des Selbst verbunden, wird aber durch das Christentum unterdrückt mit der fatalen Folge, dass die Aggressionsbereitschaft der Gesellschaft steigt. Neo dagegen als Samurai und kämpfender Zen-Mönch bedient den klassischen Archetypus des Mannes, mit dem sich jeder Heranwachsende identifizieren möchte und der der Animus schlechthin für die Frau ist. Eben sowenig wird die erotische Frau im Christentum positiv besetzt. Als Animafigur lässt das Christentum nur die liebende, helfende und weise Frau zu und verfehlt damit in fundamentaler Weise die Bedürfnisstruktur des Mannes. Liebe als Eros wertet die katholische Kirche ab und lässt sie nur als Agape zu. Ganz anders dagegen Trinity, die neben der Helfenden und Mütterlichen auch noch die Aggressive, Kriegerische, Furchteinflößende, Erotische sein kann und dadurch das vollständige Animabild des Mannes erfüllt.

Der Film DIE MATRIX ist seiner Struktur nach ein Märchen und erfüllt genau die Funktion, die die alten Märchen ursprünglich gehabt haben. Sie gehören zur Initiation von Heranwachsenden zum Erwachsenwerden und dienen als Hilfsmittel zur Individuation im Individuationsprozess. Nur der Mensch wird ein glückliches und gelungenes Leben führen, der sich nicht an die falsche Welt anpasst und der den Sinn des Lebens nicht in der Befriedigung materieller Bedürfnisse sieht. Sein Leben gewinnt er erst durch den Durchgang durch eine Krise, die seine ganze Kraft erfordert. Bewältigen kann er diese Krise nur dadurch, dass er seine inneren Kräfte, über die jeder Mensch verfügt, mobilisiert, seine inneren Helfer (in den Märchen sind es die magischen Tiere und Gegenstände), seinen inneren Seelenführer( im Film z.B. Neo) kontaktiert und im Partner seine Anima bzw. Animus findet, vor allem aber, dass er die dunklen Seiten seines Selbst erfährt, sie annimmt und nicht mehr nach außen auf die anderen Menschen projiziert, um sie dort zu verfolgen.

In der Matrix, der Maschinenseele des kollektiven Unbewussten der amerikanischen Nation (allerdings nicht nur dieser), sind die bösen, dunklen Kräfte nicht zu besiegen. Erst außerhalb der Matrix verlieren die Schatten ihre Macht. Befreiung heißt hier Entstöpselung von der Matrix, aber gleichzeitig auch eine furchtbare Desillusionierung. Attraktiv ist die Welt außerhalb der Matrix, die Welt des Bewusstseins, die Wahrheit, nicht, zumindest nicht nach den Kriterien der Matrix. Der Erlöser steht vor dem Problem, dass die Mehrheit der Menschen gar nicht erlöst sein will. Erlöst werden oder, um weniger theologisch, mehr politisch zu reden, befreit werden können offensichtlich nur die, die auch befreit werden wollen. Der Weg zum wahren Menschentum ist nach Aussage des Films nicht der Weg der meisten Menschen, aber – und das ist entscheidend- die Sehnsucht zum wahren Menschentum - was ja nichts anderes heißt als die Entwicklung des partikularen Ichs zum ganzheitlichen Selbst - , ist zumindest im Unbewussten, im Selbst aller Menschen verankert. Das ist der Grund, warum alle Menschen vom Film berührt sind.

Das archetypische SELBST des Menschen lässt sich nach C.G. Jung als Kugel darstellen. Der beleuchtete Teil der Kugeloberfläche ist gleichsam das Bewusstsein. Der unbeleuchtete Teil der Kugeloberfläche repräsentiert das Unbewusste. Wenn wir nun die ICH-Achse (Geschlecht) und die GOTT-Achse (Moral) als cartesisches Koordinatenkreuz auf die Kugeloberfläche projizieren, dann erhalten wir zwei Kreise, die sich auf der Rückseite der Kugel wieder in einem Punkt schneiden: die Antipode zum Nullpunkt des Koordinatensystems.

Diese Antipode ist der Ausgangspunkt des Gottheitsarchetypus des Selbst. Das Gute und das Böse sind noch nicht voneinander getrennt. Gott und Teufel bilden noch eine Einheit. Die Antipode des GOTT-Kreises fällt gleichzeitig mit der Antipode des ICH-Kreises zusammen. Der ICH-Kreis repräsentiert das Geschlecht und in dessen Antipode hat sich der Animus noch nicht von der Anima getrennt. Der Mensch ist hier noch ganz bewusstloses Naturwesen, also noch Tier. Die Antipode beider Kreise bildet den Ausgangspunkt des Menschen vor seiner Menschwerdung und den Ausgangspunkt der Gottheit vor ihrer Gottwerdung/Teufelswerdung. Sie ist der paradiesische Zustand des Tier-Menschen, der noch nicht das Gute und das Böse kennt. Die Geburt des Bewusstseins, die Ich-Werdung des Menschen, repräsentiert der Nullpunkt der Moral- und der Geschlechtsordinaten auf der Vorderseite der Kugel. Vom Nullpunkt breitet sich das Bewusstsein entlang der Ordinaten aus. Mit der Geburt des Bewusstseins trennt sich das Gute vom Bösen. Gott und Teufel treten in Opposition zueinander. Ebenso trennt sich das Männliche vom Weiblichen und tritt in eine bipolare Spannung. Moralgesetz und Geschlechtertrennung sind der Beginn aller menschlichen Kulturen. Gott, Teufel, Animus und Anima sind die vier archetypischen Attraktoren, zwischen denen sich das menschliche ICH aufspannt und aufreibt. Der Mensch erlebt sein bewusstes Leben als Sündenfall, als Rausschmiss aus dem Paradies. Die Sehnsucht nach der verloren gegangenen ursprünglichen Einheit des Selbst ist der Ausgangspunkt aller Religionen und der Liebe zum abgespalteten Geschlecht.



Das cartesische Koordinatenkreuz mit der Geschlechts- und der Moralachse auf die Kugeloberfläche des Selbst projiziert(die Moralachse umläuft die blaue Schnittfläche der Kugel, die Geschlechtsachse die rote):

Der Nullpunkt ist das ICH, dessen Bewusstsein sich entlang der Ordinaten ausdehnt. Das Bewusstsein ist die Kreisfläche um den Ich-Mittelpunkt.

Das Bewusstsein als zweidimensionale Fläche ruht auf dem dreidimensionalen Selbst. Es ist quasi der beleuchtete Teil der Kugeloberfläche. Der unbeleuchtete Teil der Kugeloberfläche auf der Rückseite repräsentiert das Unbewusste. Hier sind Gott und Teufel, Tier und Mensch noch nicht voneinander getrennt(Antipode zum Ich-Punkt auf der Rückseite der Kugel). Die Dreidimensionalität des Selbst bleibt dem zweidimensionalen Bewusstsein verborgen, transzendent.

Das Ich trennt im Bewusstsein das Gute vom Bösen und in der Kultur das Männliche vom Weiblichen. In der entzweienden Analyse liegt die Leistung des kultivierenden Bewusstseins. Erkauft wird sie mit dem Verlust der Ganzheit und des Glücks.

Der Weg der Mystik, z.B in der unio mystica eines Meister Eckhards oder im Satori des Zen-Buddhismus, ist der Versuch die verlorengegangene Einheit des Selbst wieder herzustellen. Er steht quer zum Bewusstsein und ist in der Graphik des Selbst als die direkte Verbindung vom Ichpunkt durch die Kugel hindurch zur antipodischen Gottheit markiert.

Die Anima ist der verdrängte weibliche Pol des Mannes und der Animus der verdrängte männliche Pol der Frau. Sie werden vom ICH an den Rand der Bewusstseins verdrängt, tauchen also im Ich-Bewusstsein gar nicht auf, bestimmen aber als unbewusst wirkende Attraktoren das Verhalten des SELBST. Die Anima- und Animusgestalten sind entsprechend am Rande des Bewusstseins auf dem Großkreis zwischen den Polen GOTT und TEUFEL verortet.

Die Geschlechts- bzw. Anima-Animus-Achse schwankt zwischen den Anima- und Animusgestalten um den Ich-Punkt und fällt also im Extremfall mit der Moral-Achse zusammen. Die Animusgestalten stehen immer in einem kompensatorisch-dialektischen Verhältnis zu den Animagestalten und vice versa. Je mehr das ICH zu GOTT strebt, desto mehr wird es im Unbewussten vom TEUFEL geritten. Der Animus der helfend-mütterlichen Frau ist der Abenteurer und Vagabund, auf den sie immer wieder hereinfällt und die Anima des Ritters die sexuell attraktive femme fatale, die Hure, von der er sich voller Empörung distanziert.


Die einseitige Herrschaft des Animus in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft

Anmerkung zum Patriarchat und der verfehlten Kritik des Feminismus
Gott und Teufel sind die Limeswerte auf der Moralachse des patriarchalischen Bewusstseins und werden vom Vaterarchetypus bestimmt (der gute und der böse Vater). Das matriarchalische Bewusstsein wird vom Mutterarchetypus bestimmt (die gute und die böse Fee). Das kollektive Unbewusste einer Kultur verhält sich nach C.G.Jung immer kompensatorisch zu seinem Bewusstsein. Das kollektive Unbewusste des Patriarchats wird deshalb vom Mutterarchetypus bestimmt. Der Film DIE MATRIX zeigt das sehr deutlich.

Ebenso kompensatorisch verhält sich das Unbewusste des Einzelnen zu seinem Bewusstsein. Je mehr das Bewusstsein durch den Animus (Logos, Ratio, Analyse, Machtstrategie, Technik) bestimmt ist, desto mehr bestimmt die Anima sein Unbewusstes (Gefühl, Empathie, Beziehungsfähigkeit, Eros, Zusammenfügen). So sucht der psychisch-männliche Mann die weibliche Frau, der psychisch-weibliche Mann dagegen die männliche Frau, oder sogar den Mann. Nicht der physische, sondern psychische Geschlechtsunterschied ist bei der Paarbildung entscheidend. Eine psychisch gleichgeschlechtliche Liebesbeziehung gibt es nicht. Jeder Mensch ist psychisch ein zweigeschlechtliches Wesen, wird also sowohl vom Animus als auch von der Anima bestimmt. Bei der Paarbildung ist entscheidend, wer von den beiden das Unbewusste bestimmt.

So ist Neo absolut nicht der Prototyp des männlichen Mannes, kein Tarzan, nicht nur der Rambo-Terminator. In seiner Sensibilität, seiner Intuition, seiner Ängstlichkeit, seiner Scheu und seinen Selbstzweifeln ist er das Gegenteil des Draufgängers. Trinity dagegen ist die mutige, kriegerische Amazone, ein männlich-androgyner Typ und dadurch erotisch anziehend für alle Menschen von eher weiblichem Charakter.

Der Einwand von feministischer Seite, Animus und Anima seien gar keine Archetypen, sondern patriarchalische Bewusstseinsformen, trifft nur in sofern zu, als sich erst im Patriarchat die Geschlechtertrennung vollzieht und der Animus sich gänzlich von der Anima trennt. Der Feminismus übersieht, dass matriarchalische Kulturen nur in der Anfangsphase der Kulturentwicklung stehen, bei denen die Geschlechterdifferenzierung erst beginnt. Alle entwickelten Kulturen dagegen haben eine ausgeprägte Geschlechtertrennung und sind patriarchalisch strukturiert, auch die Kulturen, bei denen die Frauen über die Männer herrschen. Hier findet einfach nur ein Rollentausch statt wie bei den Amazonen, die sich ganz und gar mit dem Animus identifizieren, ihre Weiblichkeit unterdrücken und ins Unbewusste schieben. Im Übrigen gehören derartige Gesellschaften eher zum patriarchalischen Mythos. Ob sie jemals historisch existiert haben, ist durchaus fraglich.

Der Feminismus selbst ist eine Reaktionsbildung auf die unnatürliche kulturelle Geschlechtertrennung des Patriarchats. Ihm geht es ja nicht nur um die Beseitigung der inferioren Stellung der Frau, sondern um die Zurücknahme des Animus in die Anima unter ganzheitlichem Aspekt. Das feministische Programm bleibt allerdings Utopie, solange die Gesellschaft eine kapitalistische Konkurrenzgesellschaft ist, die die Abspaltung des Bewusstseins vom Selbst zur notwendigen Voraussetzung hat. Menschen, die durch das HABEN bestimmt sind, verfehlen auf fundamentale Weise ihr eigenes Selbst.

Der Kapitalismus ist die entfremdetste Form des kollektiven Selbst, die eigentliche Matrix, die unser aller Tun bestimmt. Je mehr der Kapitalismus das öffentliche Leben bestimmt, desto mehr herrscht der Animus über die Anima. Das ist der Grund, warum das kollektive Unbewusste der heutigen Zeit kompensatorisch von der Anima bestimmt wird. Die kollektiv unterdrückte und verdrängte Anima (und nicht die bloße Trennung von Animus und Anima) ist der eigentliche Grund unseres Unglücklichseins und die unstillbare Sehnsucht nach ihr die zwangsläufige Folge und damit der Erfolg von Hollywood. Das Hollywood-Kino befriedigt alle Sehnsüchte, die die kapitalistische Wirklichkeit für die übergroße Mehrheit der Menschen nicht erfüllen kann.

Die inferiore Stellung der Frau und damit das traditionelle Patriarchat lässt sich im kapitalistischen System durchaus beseitigen und wird auch beseitigt werden, nicht aber die Unterwerfung der Anima durch den Animus, die dem Kapitalismus inhärent ist.

Wenn das System den Menschen beherrscht, dann herrschen nicht mehr Menschen über Menschen, nicht mehr der Mann über die Frau, noch die Frau über den Mann, dann herrscht nur noch die Sache, die Sachlogik, die instrumentelle Vernunft, in Jungs Terminologie der Animus also, jener Archetypus des Selbst, der traditionell das männliche Bewusstsein dominiert, aber ebenso gut das Bewusstsein einer Frau beherrschen kann. Die Dominanz des Animus ist also nicht abhängig vom Geschlechtsmerkmal seines Promotors, sondern von einem Gesellschaftssystem, in dem sich öffentlich nur der Animus durchsetzen kann und die Anima kollektiv ins Private verdrängt.

Das feministische Programm, ohne das kapitalistische System in Frage zu stellen, bleibt illusionär. Eine Gesellschaft wenigstens, die neben dem Animus auch der Anima eine gesellschaftliche und nicht nur private Relevanz einräumt, in der also Logos und Liebe das politische Handeln bestimmen, wäre sicherlich keine kapitalistische. Vielleicht bleibt eine derartige Gesellschaft utopisch, und solange sie uns unerreichbar erscheint, genießen wir die Märchen aus Hollywood, in denen - anders als in der schnöden Wirklichkeit- die Helden noch aus dem System ausbrechen können, Herren und Herrinnen über ihr eigenes Schicksal sind und ihr Tun ganz alleine von der Liebe bestimmen lassen, so wie Neo und Trinity im Film DIE MATRIX.

Der Hollywood-Film DIE MATRIX hat indes keinerlei emanzipatorische Wirkung. Die unsere Wirklichkeit beherrschende Matrix entschlüsselt er nicht. Im Gegenteil: er verkleistert sie bis zur Unkenntlichkeit. Seine ideologische Wirkung ist dagegen enorm. Der Rezipient genießt die Omnipotenz einer Handlungsfreiheit, die ihm die Wirklichkeit vorenthält, vor allem die Schrankenlosigkeit einer Liebe, die Berge versetzt. Er stabilisiert damit kompensatorisch die Psyche des heutigen Menschen, die durch die einseitige Herrschaft des Animus aus der Balance geraten ist und trägt entscheidend dazu bei, dass die Menschen die sie verkrüppelnde Wirklichkeit aushalten. Der Film DIE MATRIX stabilisiert damit die Herrschaft der unbegriffen gebliebenen wirklich existierenden MATRIX. Das ist der Clou des Filmes, den weder die Zuschauer noch die Filmemacher durchschauen.