Die Marxsche Theorie aus der Sicht der Systemtheorie

(inspiriert durch den Vortag des Astrophysikers Peter Kafka über Aufklärung)

das teleologische und gleichzeitig kausaldeterministische Geschichtsmodell von Marx Marx hat im Kapital den Attraktor der bürgerlichen Gesellschaft entdeckt, der dem "freiheitlichen Gezappel der Individuen"(P.Kafka) eine vorausberechenbare Bahn gibt, aus der das einzelne Individuum vielleicht herausspringen kann, nicht aber die Mehrheit der Menschen. Das wahrscheinlichste Verhalten aller freien Individuen der bürgerlichen Gesellschaft verläuft nach den Gesetzen des Kapitals: es bildet und erzeugt den Attraktor, der wiederum auf das Verhalten der Individuen zurückwirkt: ein echter Teufelskreis.
Das Problem: das Kapital ist kein zyklischer Attraktor, in dem die Gesellschaft eine langlebige, ideale Gestalt gefunden hat, sondern eine dynamische Todesspirale mit apokalyptischem Ende, vergleichbar dem schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie, das die ganze Galaxie verschlingen wird.
Rettung besteht nicht, solange die Menschen blind in ihrem Tun tagtäglich den kapitalistischen Attraktor erzeugen, um den sie kreisen.
Solange die Menschen das Kapital erzeugen, sind sie dem Kapital auch verfallen. Das Verhalten der Menschen im bürgerlichen Zeitalter ist teleologisch und kausaldeterminiert zugleich: teleologisch, weil die Menschen den Attraktor selbst erzeugen, nach dem sie sich richten und kausaldeterminiert, weil der Attraktor die politische und ökonomische Bahn ihres Verhaltens bestimmt. Mathematisch ist der Attraktor als Algorithmus beschreibbar, der die zukünftige Bahnrichtung des Spiralattraktors berechnen kann, nicht allerdings das wirkliche gesellschaftliche Verhalten, das sich immer nur in der Nähe des Attraktors aufhält und um die Attraktorbahn herumzappelt.
Den wirklichen Geschichtsverlauf können wir mit einem mäandernden Fluß zum Meer hin vergleichen. Die Flußrichtung ändert sich ständig. Nie hält sich der Fluß auf der Attraktorbahn zum Meer auf. Dennoch wird die Flußrichtung vollständig vom Attraktor bestimmt: irgendwann und irgendwo erreicht der Fluß das Meer, solange es ein Gefälle gibt. Die Pointe beim Geschichtsfluß ist, daß sein Motor, sein Gefälle erst durch die kapitalistische Gesellschaft erzeugt wird. Eine nichtkapitalistische Gesellschaft verwandelt den Fluß in einen See, der nicht mehr fließt.
Eine Gesellschaft des Siebten Tages hat Peter Kafka diese Gesellschaft genannt,
  • eine Gesellschaft, die ein Bündnis für Nichtarbeit schafft
  • eine Gesellschaft, in der die Konkurrenz um die Lebensgrundlagen nicht mehr nötig ist
  • eine klassenlose Gesellschaft, in der es keinem Menschen mehr erlaubt ist, sich die Lebensgrundlagen anderer Menschen anzueignen
  • eine Gesellschaft der Ruhe, die dem Großen und Schnellen keinen selektiven Vorteil mehr gibt
  • eine Gesellschaft, in der das Geld nicht mehr zum Kapital werden kann, weil es keine Zinsen mehr gibt
  • eine ökologische Gesellschaft, deren Ökonomie das ökologische Gleichgewicht erhält
Die Gesellschaft des Siebten Tages - Marx nennt sie die kommunistische Gesellschaft - hätte nicht mehr das Kapital zu ihrem Attraktor. Sie wäre aus dem tödlichen Attraktor des Kapitals herausgesprungen und hätte einen neuen zyklischen Attraktor gefunden. In der Organisation des Siebten Tages findet die nicht mehr kapitalistische Gesellschaft eine ideale Gestalt, die in Harmonie zur Umwelt eine langlebige Existenzform begründet.
Aber ist die Gesellschaft des Siebten Tages nicht bloß eine Utopie? Wie wahrscheinlich ist der Sprung aus dem Attraktor des Kapitals hin zum Attraktor gesellschaftlicher Vernunft? Ist es nicht wahrscheinlicher, daß die Mehrheit der Menschen blind dem Attraktor des Kapitals bis zur Apokalypse hin folgen wird? - Diese Fragen sind falsch gestellt, weil sie auf empirische Weise nicht beantwortbar sind. Empirisch bestimmbar, d.h. kausaldeterminiert ist das Verhalten des Menschen nur, solange er sich im Attraktor des Kapitals bewegt. Sein Herausspringen aus dem Kapitalattraktor ist dagegen nicht mehr determiniert. Es wäre ein Akt der Freiheit. Solange er sich im Bereich des Kapitalattraktors aufhält, hat er sich zur Unfreiheit verdammt und verhält sich, statt zu handeln. Seine Unfreiheit ist also -ganz im Sinne Sartres - noch eine gewählte, deren Wahl er allerdings nicht durchschaut. Aufgeklärt haben die Menschen jederzeit die Möglichkeit, ihre Unfreiheit zu beenden.
Das Prinzip "Wahrscheinlich geschieht Wahrscheinlicheres" hat nur Gültigkeit, solange sich der Mensch quasi naturwüchsig verhält und seine Freiheit nicht in Anspruch nimmt.
Die Gesellschaft des Siebten Tages ist weder ein zwangsläufiges Produkt der Geschichte, das sich naturwüchsig aus dem Zerfall des Kapitalismus entwickelt, noch ist sie die prinzipiell unerreichbare Utopie.
Zwangsläufig allein ist die Krise, in der die Menschheit gerät, wenn sie im Attraktor des Kapitals verbleibt.
Die Alternative zum Scheitern der Menschheit ist die Organisation der Gesellschaft nach den Prinzipien des Siebten Tages.