(Referat, aufgezeichnet auf Hörband, Ergebnisprotokoll von Harald v. Rappard)
Ziel des Vortrags: Aufklärung betreiben
Aufklärung = Gebrauch der Vernunft
Physik: Frage nach dem Wesen der Materie in Raum und Zeit
- alles folgt ganz einfachen Gesetzen
- Naturgesetze gelten im ganzen Kosmos = Universum(kein Polyversum)
- alles hat einen gemeinsamem Ursprung
Anfang des Universums:
Urknall vor ca. 15 Milliarden Jahren, größte Dichte, größte Wärme, ohne jegliche Struktur
Heute: größte Komplexität
Frage: Wie ist diese Evolution vom Einfachen zum Komplexen möglich?
Prinzip: Wahrscheinlich geschieht Wahrscheinlicheres
analog dem Prinzip Darwins:
- das Überlebensfähigere überlebt
- die Wirklichkeit sucht sich ihren Weg im Raum der Möglichkeiten
- Selektionsprinzip
- Zufallsprinzip ("Zappeln der Wirklichkeit")
- benachbarte Möglichkeiten werden ausprobiert
- übrig bleiben die besser zusammenpassenden Möglichkeiten
- Raum der Möglichkeiten ist ungeheuer groß (Platons Reich der Ideen)
1. Schöpfungstag (die ersten drei Minuten nach dem Urknall)
Ausprobieren der ungeheuren Vielfalt von Elementarteilchen,
nur wenige Elementarteilchen bleiben übrig und sind stabil:
Protonen, Neutronen, Elektronen
2. Schöpfungstag
durch Ausdehnung der Welt erfolgt gleichzeitige Abkühlung
ein neuer Teilraum von Möglichkeiten wird eröffnet
die Bildung von Atomen wird jetzt wahrscheinlicher als vorher
ist die Strahlung noch zu heiß, werden die sich immer wieder bildenden Atome zerstört
(Ionisation)
So komplex der Kosmos in den ersten drei Minuten auch ist,
die Abfolge seiner Zustände sind noch simpel und vorausberechenbar
die Entwicklung des Kosmos bis zu seiner heutigen Komplexität dagegen nicht mehr
Grund: kleinste Quantenschwankungen in den Anfangsbedingungen erzeugen weit voneinander abweichende Ursachenketten
die Tatsache meiner Geburt läßt sich auf immer kleiner werdende Ursachen zurückführen
(die zufällige Begegnung meiner Eltern auf dem Bahnsteig als Ursache meiner Geburt und die weiter zurückzuverfolgende Ursachenkette bis hin zu den Zufallsschwankungen im Quantenbereich)
Schmetterlingseffekt in der Chaostheorie: der Sturm heute geht u.a. auf den Flügelschlag eines Schmetterlings vor einem Jahr in Australien zurück
Billardspiel: welche Gravitationswirkung hat ein am Rande unserer Milchstraße vorbei-
fliegendes Elektron auf die Bewegung einer Billardkugel?
Antwort: schon nach dem 30. Stoß der Kugel von der Bande verändert sich die Laufrichtung der Kugel
Konklusion: Wo die Wirklichkeit hinläuft, wird durch winzigste Schwankungen am Anfang beeinflußt
Prinzip des Schöpfungsprozesses:
- Selektion aus dem Raum der Möglichkeiten hin zur größeren Komplexität
- die Suche nach dauerhaften Gestalten im Raum der Möglichkeiten = Attraktoren
- Prinzip der Attraktoren: Minimierung der Zufallsschwankungen
(gerät die Wirklichkeit in den Einflußbereich eines Attraktors, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Wirklichkeit in ihren Zufallsschwankungen diese gefundene Gestalt wieder verläßt, wenig wahrscheinlich)
- auch die scheinbar stabilsten Dinge des Kosmos, die Atome, können im Lauf der Zeit
wieder zerfallen. Atome sind sie nur auf grund eines zyklischen Attraktors, der die Elementarteilchen zusammenhält.
- Wirklichkeit und Attraktor fallen nicht zusammen. Die Wirklichkeit "zappelt" um den
idealen Attraktor, kann deshalb durch Zufall den Attraktor wieder verlassen
3. Schöpfungstag
die in starker Wechselwirkung sich befindenden Elementarteichen haben in den Atomen
dauerhafte Gestalten gefunden, also zyklische Attraktoren. Die Schöpfung ist aber nicht
zu Ende. Die gefundenen Attraktoren kooperieren nunmehr mit schwächeren Wechsel-
kräften,
z.B. mit der Gravitation zu komplexeren Attraktoren: die Atome beginnen zu klumpen
- Entstehen der Sterne, der Galaxien , der Chemie bis hin zur Komplexität von Ami-
nosäuren
- Entstehen der Planeten, der Erde in günstiger Sonnennähe, des Lebens auf der Erde
- Die Tatsache des Lebens ist kausallogisch bis zu den Anfangsbedingungen des
Kosmos zurück verfolgbar.
Über die Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Leben im Universum läßt sich nichts sagen(denkbar ist, daß sich nur auf unserer Erde Leben entwickelt hat)
4/5. Schöpfungstag
Vor 65 Millionen Jahren Einschlag eines Meteors von der Größe des Mont Blanc
Mit dem Aussterben der Dinosaurier und der differenziertesten Arten eröffnet sich
neuer Möglichkeitsraum für neue Gestalten
insbesondere eine Entwicklungsmöglichkeit für die Säugetiere
6.Schöpfungstag
Vor 10 Millionen Jahren Entdeckung des Großhirns
Großhirn: neuronale Vernetzung von Milliarden von Nervenzellen
diese neuronale Vernetzung bildet und ist unsere Wirklichkeit
Frage: wie ist das möglich, daß die gesamte Wirklichkeit unser kleines Großhirn sein kann?
Antwort: die Anzahl von Vernetzungsmöglichkeiten von nur 24 Nervenzellen übersteigt die Anzahl aller Atome im Weltall
(wie viele Punkte müßte ich nehmen, damit die Anzahl der Strichmuster größer ist als die Anzahl der Atome im Weltall? Antwort 24 (Weltall=10 Milliarden Lichtjahre Sicht = 1 Atom pro Kubikmeter = 1+80 Nullen Atome)
Gehirn: 50 Milliarden Nervenzellen
Viel mehr Raum im Gehirn, als wir uns vorstellen können.
Die Realität
Es gibt zwei Welten:
- Geistige Welt = Raum der Möglichkeiten
- Wirklichkeit = realisierte Gestalt im Raum der Möglichkeiten
Wir sind die Spitze, die Front im Reich der Möglichkeiten.
Wir sind jetzt dieser Prozess, diese Evolution, nicht mehr die Biologie.
Frage: Wie geht's weiter?
Naive Vorstellung: Es geht immer weiter aufwärts zu komplexeren Strukturen. Wahrscheinlich geschieht Wahrscheinlicheres. Ich brauche nichts dafür zu tun. Gott wird's schon richten.
Kritik der naiven Vorstellung:
Weder Gott noch die Natur, wir selbst sind der Prozeß, und wir entscheiden, wie es weiter geht.
- Der Mensch hat die Freiheit zu handeln.
- Der Mensch muß über ein Entscheidungskriterium verfügen, was richtig und was falsch
ist.
- Die Ethik kommt nicht von außen (nicht von Gott, nicht von der Natur)
Kulturentwicklung beginnt erst mit der ethischen Frage: Was soll ich tun?
Ethos= die Gewohnheit = zyklischer Attraktor=kultureller Attraktor: es geht wahrscheinlich gut, wenn ich das tue. Warum geht es gut? weil ich immer mit Erfolg so gehandelt habe.
Mit der Freiheit ist indes die
Möglichkeit des Scheiterns erstmalig gegeben.
Im Mythos ist die Figur des Scheiterns der Engel, Lucifer (=der Lichtbringer),
Prometheus (=der Feuerbringer, der Vordenker).
Das Falsche am Teufel: Übermut, der schnelle Fortschritt gegen die Langsamkeit der Natur
Lucifer wird zum
Diabolos, Durcheinanderwerfer.
Kulturgeschichte der Menschheit ist ein einziges Scheitern aus eigenem Übermut, aber immerhin ist es bisher immer noch aufwärts gegangen.
Erst neuerdings stellt sich das Gefühl ein, daß die Menschheit insgesamt scheitern könnte.
Eine unvermeidliche Krise ist dem Schöpfungsprinzip eingebaut, die
Beschleunigungskrise.
Die Wirklichkeit taumelt abwärts - fährt zur Hölle, fällt auf tiefere Attraktoren zurück.
Diese Krise muß erreicht werden, die führenden Gestalten laufen der Gesamtentwicklung voran und fort. Aufgrund ihres Selektionsvorteils setzen sie sich
a) mit Notwendigkeit durch (das Schnellere und Größere hat einen Selektionsvorteil vor dem Langsameren und Kleineren)
b) koppelt sich aber dadurch vom Troß der Entwicklung, der Natur, ab.
Diese hält nicht mehr mit der Innovationsgeschwindigkeit der führenden Gestalten mit.
Technik und Natur geraten in Widerspruch zueinander, passen nicht mehr zueinander.
Die Wahrscheinlichkeit, lebensfähige komplexere Attraktoren zu finden sinkt gegen Null.
Im Schöpfungsprozeß ist die Krise eingebaut, weil der Planet endlich ist.
- exponentielle Zunahme der zu lösenden Probleme, die immer eiligere Lösungen verlangen
- schnellere Innovation und globale Vereinheitlichung ist nicht die Lösung, sondern der Irrtum, die Krankheit
- Krise ist notwendig zur Weiterentwicklung
- wir sind die Krise, nicht die Natur, also können nur wir die Krise lösen
Das Bewußtsein, die Wissenschaft, erzeugt erst die Krise, nicht die Biologie.
Die Globalisierung der Krise (Beschleunigungskrise) ist erst durch die Wissenschaft möglich, also kann nur eine neue Ethik der Wissenschaft Abhilfe schaffen.
Neue Ethik: der siebente Schöpfungstag
Schaffung und Organisierung einer Gesellschaft, in der das Schnelle und Große keinen selektiven Vorteil hat
durch höhere Einsicht, durch gesunden Menschenverstand der mündigen Bürger gegen die Interessen der Mächtigen
Die Gesellschaft des 7. Tages
- Nicht die Arbeit darf mehr besteuert werden, sondern Minderwertproduktion(=die als schädlich erkannte Tätigkeit, z.B. die fossile Verbrennung, die in einer menschlichen Lebenszeit die Hälfte der Biosphäre vernichtet hat, alle Stunde sterben 10 Arten aus!!)
- die Gemeinschaftsaufgaben sollen bezahlt werden aus den Steuern auf Minderwertproduktion
Frage: wie hoch wäre die Steuer auf Energie, wenn alle anderen Steuern gestrichen werden?
Antwort: 22 Pf. pro Kilowattstunde Primärenergie (1Liter Öl = 10 KWSt. = 2.20 DM pro Liter Öl, 1 KWSt. Strom = 3 KWSt. Primärenergie = 65 Pf.)
Allein durch Besteuerung von Energie können alle Gemeinschaftsaufgaben + Bürgergeld bezahlt werden
- Abschaffung der Konkurrenzgesellschaft (sie hat sich als tauglicher Attraktor bewährt, solange die Gesellschaft im Überlebenskampf steht, in der Gesellschaft des 7.Tages hat die Konkurrenz keine Funktion mehr)
- Konkurrenz um die Lebensgrundlagen ist heute nicht mehr nötig
(Es gibt nicht mehr viel zu tun. Essen und Wohnen lassen sich durch wenig Arbeit schaffen für alle Menschen: 1-3 % der Arbeitenden sind heute in der Nahrungsmittelproduktion tätig , vor 50 Jahren noch 50%)
- es gilt zu verhindern, daß Menschen sich die Lebensgrundlagen anderer Menschen aneignen können (Abschaffung der höheren Form der Sklaverei und damit der Klassengesellschaft)
- Abschaffung des Kapitalertrags(und damit Abschaffung des Kapitalismus)
(größte Subvention ist die Subventionierung des Kapitals = Sozialhilfe für die Reichen = täglich 2 Milliarden DM Kapitalbedienung = 730 Millionen DM, das Eineinhalbfache des jährlichen Steueraufkommens)