Harald von Rappard (November 2001)

Philosophische Bemerkungen zum Afghanistan Krieg

Eine Handreichung für das Kollegium

Darf ein Lehrer im öffentlichen Dienst seine Schüler dazu auffordern, ihr Recht auf Kriegsdienstverweigerung wahrzunehmen?

Kollege Nolz aus der Siegener Gesamtschule ist aufgrund eines derartigen Aufrufs anlässlich des Afghanistan-Krieges vom Dienst suspendiert worden mit der Begründung, er habe gegen das Mäßigungsgebot bei Beamten verstoßen und den Schulfrieden erheblich gestört. Nun steht für die meisten Kollegen außer Frage, dass die Schulaufsichtsbehörde in ihrer Reaktion auf Nolz das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt hat. In der Sache geben aber viele der Behörde recht. Der Lehrer habe gegenüber seinen Schülern eine Neutralitätspflicht. Nolz hätte seinen Schülern allenfalls auf ihr Recht auf Kriegsdienstverweigerung aufmerksam machen, aber sie nicht zur Kriegsdienstverweigerung aufrufen dürfen. Hier habe der Lehrer die Schüler in eine einseitig parteipolitische Richtung hin beeinflussen wollen.

Aber geht es im vorliegenden Fall überhaupt um Verletzung der Neutralitätspflicht oder nicht doch um etwas ganz anderes?

Machen wir ein Gedanken-Experiment:

Der Direktor einer Schule wendet sich nach dem 11.September an die Schüler mit folgender Rede:

"Liebe Schüler! Der Terrorismus hat zugeschlagen. Amerika ist getroffen und gedemütigt worden. Aber nicht nur Amerika! Der terroristische Anschlag hat uns alle getroffen. Denn das Ziel der Terroristen ist die freie westliche Welt, unsere Kultur und unsere Werte der Zivilisation, die wir hoch halten. Deshalb dürfen wir in dieser schweren Stunde die Amerikaner nicht allein lassen - die Amerikaner, die uns in schwerer Stunde gegen die kommunistische Bedrohung beigestanden haben, sie haben jetzt ein Anrecht auf unsere uneingeschränkte Solidarität. Und zwar nicht durch Reden, sondern durch Handeln! Nicht nach der Devise: Hannemann geh du voran! Hol mir die Kartoffeln aus dem Feuer! Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Nein, wir Deutsche müssen endlich erwachsen werden und selbst Verantwortung übernehmen! Wer in Freiheit leben will, muss auch bereit sein für die Freiheit zu kämpfen. Deshalb rufe ich euch auf: lasst die Amerikaner im notwendigen Kampf gegen den Terrorismus nicht im Stich! Zeigt den Terroristen dieser Welt unsere Wehrbereitschaft, zeigt ihnen, dass wir uns nicht demütigen lassen! Der Terrorismus lässt sich nicht durch Worte besiegen, sondern nur durch Taten! Wenn wir den Terrorismus nicht besiegen, besiegt er uns. Deshalb ist die einzig richtige und moralische Antwort: Krieg dem Terrorismus! Und so rufe ich die Mutigen und Starken von euch auf: meldet euch zum Militärdienst! Meldet euch freiwillig zum Militäreinsatz in Afghanistan, wo sich die Terroristen verstecken und ihre üblen Machenschaften treiben. Seid den Verzagten und Kleingläubigen und ewigen Bedenkenträgern ein Vorbild, damit wir endlich wieder stolz auf unser Land sein dürfen!"

Alle diese Sätze gehören zum ständigen Rede-Repertoire unserer politischen Klasse, werden gebetsmühlenartig wiederholt und werden dadurch nicht wahrer. Es gibt kaum einen Satz in dieser Rede, dem ich nicht widerspräche.

Eine solche Rede würde, so hoffe ich wenigstens, in der schulischen Öffentlichkeit eine Kontroverse auslösen und den Schulfrieden erheblich stören. Dennoch: können Sie sich vorstellen, dass auch nur ein einziger Direktor in dieser Republik wegen dieser Rede vom Dienst suspendiert würde, weil er einseitig die Schüler gegen eine pazifistische Position in unserer Republik indoktriniert?

Das Gedanken-Experiment zeigt doch sehr deutlich: es geht gar nicht um Verletzung der Neutralitätspflicht, sondern um Abweichung vom gesellschaftlichen Mainstream des Bewusstseins, die nicht akzeptiert wird.

Zugespitzt muss die Eingangsfrage also lauten: Darf der Lehrer in der Schule vom Mainstream abweichen oder darf er in der Schule nur die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung vertreten? So zugespitzt wird deutlich, dass die Reaktion der Schulbehörde nichts anderes als ein Anschlag auf unser in unserer Verfassung niedergelegtes Demokratieverständnis ist. Zur Erinnerung: die demokratische Mehrheit darf in unserem Staat die Richtung der Politik bestimmen, nicht aber die Gültigkeit oder Ungültigkeit verfassungsrechtlicher Werte wie z. B. der Grundrechte. Über das Grundgesetz ist deshalb nie abgestimmt worden und keine Mehrheit kann auf verfassungsmäßige Weise die Grundrechte wieder abschaffen.

In Bezug auf die Grundrechte hat der beamtete Lehrer sogar die Pflicht eine Minderheitsposition aufrechtzuerhalten, wenn die Bevölkerungsmehrheit sich von der Verfassung des Staates wegbewegt, was ja oft genug vorkommt (vergl. Forderung der Mehrheit nach der verfassungswidrigen Todesstrafe) .

Wenn das Volk sich mehrheitlich intolerant gegenüber Moslems verhält, so hat der Lehrer nicht nur das Recht, sondern die Pflicht dagegen zu halten und die Schüler in Richtung auf Toleranz hin politisch zu beeinflussen. Die Pflicht zur Neutralität besteht gegenüber politischen Interessengruppen in der Gesellschaft, nicht aber gegenüber den Werten, die die Verfassung vorgibt. Gegenüber der Verfassung muss der Beamte ganz und gar Partei sein. Zu welcher Kategorie gehört nun der Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung?

Die Frage ist ganz einfach zu beantworten:

Werden mit dem Aufruf Interessen verbunden, z. B. Propaganda für die PDS zu machen, oder die Regierung zu destabilisieren, das heißt, hat der Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung noch einen anderen, darüber hinausgehenden Zweck und ist damit Mittel zum Zweck, so darf sich der Beamte nur als Privatperson mit diesen Interessen verbinden, nicht aber als Beamter.

Erfolgt der Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung aus einer durch die Verfassung vorgeschriebenen Werthaltung heraus und ist der Zweck des Aufrufs die Kriegsdienstverweigerung selbst, so muss der Beamte Schüler auf die Kriegsdienstverweigerung hin orientieren, selbst wenn er privat ganz anderer Meinung ist. Wenn Friedenspflicht Verfassungsrang hat, dann darf er nicht zum Kriegsdienst auffordern. Es hat nur den Anschein, als ob Kriegdienstbefürworter und Kriegsdienstverweigerer unterschiedlichen Interessengruppen zugehören, gegenüber denen sich der Beamte neutral zu verhalten habe.

Wer Kriege befürwortet, bedient immer auch Interessen, die über den Krieg hinausgehen. Kriege werden nicht aus Selbstzweck geführt. Kriegsbefürworter haben deshalb immer eine Lobby.

Die Kriegsdienstverweigerer haben dagegen keine Interessen, die über die Kriegsdienstverweigerung hinausgehen. Sie haben auch keine Lobby, sind deshalb keine Interessengruppe innerhalb der Gesellschaft, sondern wenn nur eine Gruppe, die im wohlverstandenen Interesse aller handeln will.

Die Schwierigkeit ist nur, dass die Kriegslobby ihren Krieg genauso wie die Kriegsgegner mit dem wohlverstandenen Interesse aller moralisch zu legitimieren sucht und durch diesen Heiligenschein ihre Interessen verbirgt.

Zugespitzt lautet meine These:

Wer gegen den Kriegseinsatz der Bundeswehr gegen Afghanistan mobilisiert, folgt wie der Kollege Nolz den Leitwerten unserer Verfassung und erfüllt damit als treuer Beamte seine Beamtenpflicht.

Wer dagegen für den Kriegseinsatz plädiert und mobilisiert, wie im Augenblick die gesamte politische Klasse der BRD von Schröder, Fischer über Westerwelle bis Merkel und Stoiber, der folgt unabhängig von seiner moralischen Begründung immer auch Interessen, die im Widerspruch zu den Werten unserer Verfassung stehen.

Unsere politische Klasse betreibt Verfassungsbruch und sie kaschiert diesen Verfassungsbruch nur dadurch, dass sie den Kriegsfall als Verteidigungsfall umdeklariert. Unsere Verfassung erlaubt den Krieg nur und ausschließlich nur zur Verteidigung im Verteidigungsfall. Da die politische Klasse diesen festgestellt hat, ist der Kriegseinsatz in Afghanistan formal noch verfassungskonform, inhaltlich aber ein eklatanter Verfassungsbruch.

Unsere Verfassung erlaubt nämlich nicht mehr den Krieg zur Durchsetzung von Interessen. Die Bundesrepublik hat deshalb kein Kriegsministerium mehr, sondern nur noch ein Verteidigungsministerium, was inhaltlich etwas anderes ist und nicht bloß euphemistische Umbenennung ein und desselben. Unsere Verfassung ist dem Wesen nach eine Anti-Kriegs-Verfassung, geboren aus den verhängnisvollen Erfahrungen, die das deutsche Volk mit Kriegen gehabt hat.

Wenn heute der Krieg als ultima ratio und Mittel politischer Strategie wieder salonfähig gemacht wird, -das unbestrittene Verdienst der rot-grünen Regierungskoalition -, dann kündigt sich in der BRD ein Paradigmenwechsel an.

Nicht alle Interessen, die der Krieg bedient, werden in der Öffentlichkeit offen genannt - so nicht die der Ölindustrie, der Waffenproduzenten, des Finanzkapitals - aber die, die öffentlich zur Rechtfertigung des Krieges genannt werden, reichen, um den Paradigmenwechsel in der Politik deutlich werden zu lassen.

Wenn es heißt, Deutschland müsse aus Bündnistreue gegenüber den Amerikanern in den Krieg ziehen, es müsse sich am Krieg aktiv beteiligen, um seine wieder erlangte Souveränität unter Beweis zu stellen, um als gleichberechtigter und ernstzunehmender Partner im Reigen der Völker anerkannt zu werden, um seiner gestärkten politischen Rolle in Europa auch weltpolitisch gerecht zu werden, um der Welt zu zeigen, dass Deutschland erwachsen geworden ist, dann artikulieren sich in derartigen Formulierungen klar und unverklausuliert machtpolitische Interessen, die keinen Kriegseinsatz moralisch rechtfertigen können und auch gar nicht mehr als moralische Rechtfertigung gemeint sind.

Deutschland will in den Krieg aus politischen Interessen und zwar unabhängig von moralischen Gründen, die es ja auch noch geben mag. Das ist die Botschaft der politischen Klasse und dieses politische Interesse ist gerade nicht mehr durch unsere Verfassung gedeckt.

Ich spreche der bellizistischen Position keineswegs die Moralität ab. Es gibt gute moralische Gründe für den Militäreinsatz in Afghanistan. Wenn es denn richtig ist, dass die Taliban ein Terror-Regime gegenüber der eigenen Bevölkerung gebildet haben, so ist die Beseitigung dieses Terror-Regimes moralisch geboten. Keine Frage, wenn die Beseitigung des Terror- Regimes nur militärisch möglich ist, dann ist der militärische Einsatz gegen die Taliban moralisch gerechtfertigt. Ob er auch verantwortungsethisch zu rechtfertigen ist, steht auf einem anderen Blatt. Die bellizistische Position wenigstens kann sich wie die pazifistische auf die universalistische Moral unserer Verfassung berufen.

Die gesinnungsethische Position reicht aber nicht, genauso wenig wie die des abstrakten Pazifismus, der prinzipiell jede Gewaltanwendung verabscheut. Auch der gesinnungsethische Pazifismus muss die Folgen seiner Haltung bedenken und sich zu recht fragen lassen, ob seine Gewaltabstinenz ihn nicht mitschuldig an der Aufrechterhaltung des Terrorregimes macht.

Gefragt ist eine Verantwortungsethik, die die Folgen der politischen Handlung bedenkt und kompatibel ist mit der universalistischen Moral unserer Verfassung. Hier sehe ich Handlungsbedarf.

Weder die Kriegsgegner noch die Kriegsbefürworter können für sich a priori die bessere Moral beanspruchen. Was moralisch richtig ist, lässt sich allenfalls in einem rationalen Diskurs ermitteln, der das gesamte ökonomische und politische Umfeld zu berücksichtigen hätte und gerade nicht im Abstraktionsraum der reinen Vernunft geführt werden kann. Die meisten Moralisten beider Lager haben sich hier schon fest gelegt. Sie wissen a priori, was moralisch richtig oder falsch ist, ohne hinzugucken, wie es sich in der Realität wirklich verhält. Blind gegenüber den Folgen ihrer eigenen Haltung glauben sie die Folgen der gegnerischen Position genau einschätzen zu können. Die Bellizisten werfen den Pazifisten vor, der Sieg des Terrorismus sei eine zwangsläufig Folge ihrer Abstinenz. Die Pazifisten werfen den Bellizisten vor, die Zunahme des Terrorismus sei eine Folge ihres Kriegseinsatzes.

Beide moralische Positionen haben eine normative Setzung, ein metaphysisches Bild, zur Grundlage ihrer Argumentation und erweisen sich damit nur als scheinbar verantwortungsethische Haltungen.

Wenn der herrschaftsfreie nicht interessegeleitete Diskurs erst das politisch und moralisch Richtige bestimmen kann, dann eben gerade nicht der einzelne Moralist oder eine Gruppe von Moralisten, die andere Moralisten ausschließt, d.h. eine apriorische Festlegung auf die bellizistische oder pazifistische Position ist falsch.

Die normative Festlegung unserer Verfassung auf die universalistischen Moral schränkt allerdings unsere politischen Handlungsmöglichkeiten ein. Die universalistische Moral schließt nicht die Idee des gerechten Krieges aus, aber ganz entschieden den Krieg aus Eigennutz, Vergeltung oder nationalem Interesse. Die Kritikwürdigkeit der bellizistischen Position liegt nicht in ihrer Moral begründet, sondern in der Tatsache, dass sie immer ökonomische und machtpolitische Interessen mit bedient, die den Grundrechten zuwiderlaufen. Dadurch verstößt sie inhaltlich gegen unsere Verfassung. Die pazifistische Position entgeht dagegen dieser Kritik, nicht allerdings der Kritik, dass sie möglicherweise verantwortungsethisch und politisch falsch ist.

Das aus der universalistischen Moral abgeleitete Credo deutscher Außenpolitik lautet und muss lauten: nur das ist im nationalen Interesse, was auch gleichzeitig im Interesse aller Nationen ist. Dieser Grundsatz ist vernünftig, wenn auch zugegebenermaßen kaum eine Nation auf dieser Welt sich an diesen Grundsatz hält. Immerhin hat diese normative Leitidee die deutsche Außenpolitik nach 45 im wesentlichen bestimmt und entscheidend zur europäischen Vereinigung beigetragen. Die Vernunft in der deutschen Außenpolitik hat sich möglicherweise aufgrund fehlender politischer Macht, sicherlich aber wegen des wirtschaftlichen Interesses durchgesetzt. Die wieder erlangte Souveränität scheint das Vernunftsparadigma der deutschen Außenpolitik wieder in Frage zu stellen. Normalität stellt sich insofern wieder her, als Moral und Interesse in ihr bürgerlich angestammtes Verhältnis treten: nämlich in das der Diskrepanz.

Zweifellos ist der Kampf gegen den Terrorismus im Interesse aller Menschen und damit nicht nur im nationalen, sondern auch internationalen Interesse. Das Problem nur ist, er liegt auch im Interesse der Herrschaftseliten, die sich durch den Terrorismus bedroht sehen. Der Terrorismus ist immer die fürchterliche Macht der Ohnmächtigen, die gegenüber der sie beherrschenden Macht in eine inferiore Stellung geraten sind. Wer Terrorist ist, definiert der Machthabende, hier das Nationalinteresse der USA. Wer für die USA ein Terrorist ist, ist für die Islamisten ein Freiheitskämpfer und Gotteskrieger und wandelt sich das Nationalinteresse der USA, so ist der Freiheitskämpfer von gestern der Terrorist von heute und morgen vielleicht schon wieder der Freiheitskämpfer.

Terroristen sterben nur aus, wenn die Freiheitskämpfer aussterben. Und die Freiheitskämpfer sterben aus, wenn Unterdrückung und Unfreiheit aussterben und gerade nicht durch Tötung von Terroristen oder Freiheitskämpfern. Der Kampf gegen den Terrorismus kann deshalb nie durch den Krieg gegen Menschen gewonnen werden. Der Krieg der USA gegen die Taliban rottet im erfolgreichsten Fall Terroristen, Freiheitskämpfer, Gotteskrieger, vielleicht sogar die Köpfe der Al Qaida aus, nicht aber den Terrorismus, der mit jeder Bombe auf Unschuldige exponentiell nachwächst. Das wissen natürlich auch die Amerikaner. Wenn sie dennoch den Krieg nach Afghanistan tragen, dann nicht, weil sie glauben, damit den Terrorismus zu besiegen.

Der Krieg der Amerikaner gegen die Taliban erfolgt gerade nicht aus einer universalistischen Moral zur Befreiung unterdrückter Menschen, sondern aus dem Nationalinteresse und Bedürfnis nach Vergeltung. Genau das lässt die universalistische Moral unserer Verfassung nicht mehr zu. Wenn die politische Klasse unseres Landes sich in uneingeschränkter Solidarität dem Krieg der USA anschließen will und damit der amerikanischen Primitivmoral des Alten Testaments folgt, dann betreibt sie Verfassungsbruch, auch wenn die Mehrheit des deutschen Volkes und dessen Verfassungsrichter das so nicht sehen. Die philosophische Reflexion kommt eindeutig zu diesem Ergebnis. Welche Möglichkeiten bleiben dem Philosophen und Pädagogen, der der Verfassung treu bleiben will, angesichts dieser Diagnose? Welche Möglichkeiten bleiben den Jugendlichen, wenn die politische Klasse sie in einen Krieg schicken will, der durch unsere Verfassung nicht mehr gedeckt ist? Den Interessen der Kriegspolitik können sie sich nur noch durch die Wahrnehmung ihres verfassungsmäßigen Rechts auf Kriegsdienstverweigerung entziehen. Hat nicht der Pädagoge die Pflicht den Jugendlichen diesen Weg zu zeigen?

Mein Kritikansatz beruht auf der Prämisse, dass Politik und Moral zusammen gehören. Ich halte die Prämisse für falsch und für bloße Ideologie des Bürgertums, die die kapitalistischen Verhältnisse verschleiert. Die bürgerliche Politik richtet sich nach Interessen und nicht nach der Moral. So ist auch der Kriegseinsatz in Afghanistan konsequente Interessenpolitik und seine moralische Legitimation der Schleier, der das Interesse verdeckt. Aber nicht die Wirklichkeit interessiert hier, sondern nur die, die der Bürger für wirklich hält. Insofern er seiner Moral glaubt, muss er seine Taten auch an seiner Moral messen lassen. Wenn er die universalistische Moral der Verfassung zum höchsten Leitwert der Gesellschaft erklärt und den Lehrer als Beamten auf sie verpflichtet, darf er sich nicht wundern, wenn die Lehrer die Verfassung ernst nehmen und die Schüler zu einer Politik ermuntern, die seinen Interessen widerspricht.

Dass die politische Klasse ihrem Kritikaster den Schierlingsbecher reicht, ist Tradition. Lieber zerschlägt das Bürgertum sein moralisches Gesicht als seine Interessen. Dem Kollegen Sokrates Nolz sei versichert: der Hahn, den wir ihm freudig opfern, ist nicht nur die Henne im KM, sondern der Politgockel samt seinem KRIEGERIKI .